Großspende für Tafeln in Not
Speiseöl und Putzmittel sind knapp / Ministerpräsident Günther informiert sich über aktuelle Situation
von Gunda Meyer
Jeden Tag rotieren die Ehrenamtlichen der Tafel, um den Bedürftigen unter die Arme zu greifen. Doch die Waren sind knapp. „Speiseöl und Reinigungsmittel sind besonders schwer zu bekommen“, erzählt René Horn, der jeden Tag in Neumünster mit anpackt. Gestern kam mit Ministerpräsident Daniel Günther hoher Besuch in das Zentrallager der Tafeln in Einfeld. Er ist Schirmherr der Tafelstiftung des Landes.
Dort wurden 100000 Papiertüten mit einem Warenwert von 20000 Euro sowie 5000 spezielle Kartons überreicht. Die Tüten wurden von Famila und Citti gespendet. „Unsere Famila-Märkte spenden jede Woche Lebensmittel an die Tafeln im Land, um Menschen zu unterstützen, die in Not geraten sind und schnelle, unbürokratische Hilfe dringend benötigen“, erklärte Fritz Philip Langness. Auch Harald Rottes, Mitglied der Citti-Geschäftsführung in Kiel, sei es „eine Herzensangelegenheit“, mit den Tüten zu unterstützen. In den Tragetaschen können die Kunden ihre Einkäufe nach Hause bringen. „Wir haben bewusst darauf geachtet, dass diese neutral bedruckt sind. Viele Menschen haben immer noch große Scheu, zur Tafel zu gehen“, erklärte Bernd Jorkisch, Vorstandsvorsitzender der Tafelstiftung Schleswig-Holstein.
Mehr als 60 Prozent der Tafeln im Land stehen vor dem Problem, dass die Nachfrage um mindestens 50 Prozent gestiegen ist. „Das ist eine kaum zu bewältigende Aufgabe“, sagte Frank Hildebrandt vom Landesverband der Tafeln.
Auch in Neumünster ist der Bedarf mit rund 2900 registrierten Bedürftigen groß. Das bedeutet für die Ehrenamtler: Mehr Lebensmittel einwerben, sortieren und herausgeben. Christina Arpe und ihr Team von der Tafel Neumünster nehmen auch die Großspenden in Einfeld entgegen, sortieren sie und lagern sie zwischen. Von dort werden die Waren dann auf die Tafeln im Land verteilt. „Ihre Arbeit ist unglaublich wichtig – sie organisieren nicht nur Nahrungsmittel, sondern sorgen für
Austausch und Zusammenhalt. Sie geben den Menschen in Not eine sichere Anlaufstelle“, lobte Günther.
Tafeln können auf Hilfe zählen
100000 Papiertüten übergeben – Finanzielle Unterstützung durch „Gutes tun im Advent“
Von Ulrich Metschies
Frank Hildebrandt hat nicht viel zu lachen in dieser Zeit.
Wie auch? Als Vorstandsvorsitzender des Vereins Tafel SchleswigHolstein/Hamburg ist Hildebrandt dicht dran an der Not vieler Menschen. „Die Nerven unserer Helferinnen und Helfer liegen zusehends blank“, sagt er. Die Schere geht immer weiter auseinander: Die Zahl der Hilfsbedürftigen nimmt zu, die Menge der von Handel und Herstellern gespendeten Lebensmittel aber ist eingebrochen, nach Angaben der Tafeln um rund die Hälfte. Etwa jede zweite der 57 Tafeln in Schleswig-Holstein,
so sagt Hildebrandt, habe entweder einen Aufnahmestopp verhängt oder die Ausgabe von Lebensmitteln anderweitig begrenzt.
An diesem Freitag in Neumünster – es ist St.-Martinstag – kann sich Hildebrandt dennoch freuen. Zum einen über 100000 Papiertüten, 5000 Transport-Kartons und 2000 Corona-Schnelltests. Waren im Wert von rund 40000 Euro, eine Großspende aus den Mitteln der Tafelstiftung. Die Papiertragetaschen (allein rund 20000 Euro wert) kommen von den Supermärkten Famila und Citti. Überreicht wurden die Sachspenden von Ministerpräsident Daniel Günther – Schirmherr der Tafelstiftung – und deren Vorstandsvorsitzenden Bernd Jorkisch.
„Die Tafeln stehen vor kaum zu bewältigenden Aufgaben“, berichtet Hildebrandt. Entsprechend groß ist seine Freude „über die tatkräftige Unterstützung der Tafelstiftung, die unsere praktische Arbeit erleichtert“. Tüten, Kartons oder Corona-Tests machen nicht satt, aber sie sind wichtige Helfer im Tafel-Alltag.
Auf den Tüten sind die Logos der Spenderfirmen aufgedruckt – so als hätte man gerade bei Famila oder Citti eingekauft. Das hat einen Nutzen, an den man nicht sofort denkt. Jorkisch:„Tafelkunden wollen nicht sofort als solche erkannt werden.“
Die ehrenamtliche Verteilung von Lebensmitteln ist logistisch anspruchsvoll. Seit einem Jahr verfügen die Tafeln im Land über ein Zentrallager: eine rund 250 Quadratmeter große ehemalige Maschinenbauhalle in Neumünster. Hier stapeln sich an diesem Tag nicht nur die Kartons mit Tüten und Corona-Tests, sondern auch Kisten mit Nudeln, Keksen, Tomatensoße oder Nutella. Rund 100 Paletten haben Platz in der Halle – Großspenden, die in unregelmäßigen Abständen von Händlern oder Herstellern per Lkw angeliefert werden. Immer wenn neue Paletten eintrudeln, werden die Tafeln informiert, so dass sie ihren Bedarf anmelden können. „Mit diesem Lager hat unsere Arbeit sich deutlich professionalisiert“, sagt Hildebrandt.
Günther dankt den Partnern der Aktion: „Das ist ein großartiges Beispiel für unternehmerische Verantwortung, für Solidarität in unserem Land und dafür, wie in Schleswig-Holstein gerade auch in diesen so herausfordernden Zeiten zusammengehalten und geholfen wird.“ Auch angesichts steigender Kosten sei der Einsatz der Tafeln mit den vielen ehrenamtlichen Kräften von großer Bedeutung. „Ihre Arbeit ist unglaublich wichtig.“ Tafeln organisierten nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Austausch und Zusammenhalt.
René Horn ist einer der so Gelobten. Seit gut fünf Jahren engagiert sich der 40-Jährige bei der Tafel in Neumünster. „Die Arbeit macht Spaß, ist aber fordernder geworden“, berichtet Horn. Auch er spürt, dass der Bedarf an Unterstützung schneller wächst als die Menge an Nachschub. Eine deutliche Mehrheit der Tafeln meldet einen Nachfragezuwachs von mindestens 50 Prozent. Gleichzeitig geht das Aufkommen an Spenden zurück. Die Gründe sind vielfältig. Viele Lebensmittel lindern Not in der Ukraine. Doch in Zeiten von Lieferschwierigkeiten und explodierenden Rohstoffkosten haben natürlich auch manche Einzelhändler und Hersteller weniger Luft für Spenden.
Ein weiteres Problem für die Tafeln: Auch sie leiden unter enorm steigenden Treibstoff- und Energiekosten. Um diese zu decken, sind die Hilfseinrichtungen auch auf Geldspenden angewiesen. Allein im laufenden Jahr hat die Tafelstiftung rund 80000 Euro mobilisiert.